Das Wort Nidra kommt aus dem Sanskrit und bedeutet Schlaf, weshalb Yoga Nidra gerne als yogischer Schlaf bezeichnet wird. Doch wirklich geschlafen wird beim Yoga Nidra nicht – zumindest nicht vorsätzlich ;-). Und was genau passiert und wie man sich hinterher fühlt, lässt sich auch nur schwer in Worte fassen. Wer es einmal ausprobiert hat, weiß, was ich meine. Yoga Nidra ist eher ein Bewusstseinszustand, ein „peace beyond words„, wie Tracey Stanley es in ihrem Buch Radiant Rest beschreibt. Diesen Zustand können wir nicht erzwingen. Alles, was wir tun können, ist uns zu konzentrieren und gleichzeitig loslassen, tiefe Entspannung zulassen, um diesen friedvollen, intuitiven und z.T. auch sehr aufschlussreichen Zustand zu erleben. Eine Art Reise durch unser Bewusstsein, bei der wir gleichzeitig hellwach und alert sind, aber eben auch nicht so ganz im Hier und Jetzt.
Während der Praxis pendelt unsere Hirnfrequenz zwischen Alpha-Wellen, dem entspannten Wachzustand, und Theta-Wellen, dem Dämmerschlaf, hin und her, ohne in den Tiefschlafbereich der Delta Wellen zu gelangen. Dadurch erzielen wir mit einer ca. 30 minütigen Yoga Nidra Praxis den regenerierenden Effekt von ungefähr 3-4 Stunden tiefem Schlaf.
Die Praxis von Yoga Nidra hat sehr alte Wurzeln. Bereits im 5. und 6. Jahrhundert findet sie Erwähnung in den Sutren der Devi Mahatmya, in den Hatha Yoga Pradipika aus dem 15. Jahrhundert, sowie den weitaus älteren Upanishaden (zwischen 700-200 v. Chr.). Jedoch findet sich nirgends eine tatsächliche Anleitung dafür, wie man in diesen Zustand kommt. Das Wissen darüber wurde vermutlich nur in der direkten Linie von Lehrer (Guru) zu Schüler weitergegeben. Im 20. Jhd. wurde sie vor allem von der Bihar School of Yoga unter Swami Satyananda Saraswati für ein breites, modernes Publikum zugänglich gemacht.
Eine Yoga Nidra Praxis läuft nach einer klaren Struktur ab und ist einer geführten Meditation ähnlich. Der Anfang ist einfach: Du legst dich auf den Rücken in die Position von Savasana, die Ruhe- oder Totenstellung. Eventuell legst du dir Kissen unter den Kopf, die Knie oder die Fersen, deckst deine Beine zu, schiebst ein wenig die Schulterblätter unter dir zusammen und machst es dir so gemütlich, dass du für eine halbe Stunde in Ruhe wach liegen kannst, ohne deine Position verändern zu müssen. Du solltest nicht frieren, es aber auch nicht zu warm haben.
Dann beginnt die eigentliche Praxis mit dem Formulieren deiner sog. Sankalpa, einer sinnstiftenden Absicht oder einem Herzenswunsch. Dann folgen, je nach Art und Thema, verschiedene Entspannungs- und Atemübungen, Body Scans und Visualisierungstechniken, mit denen deine Aufmerksamkeit systematisch durch deinen Körper gelenkt wird. Die Praxis wird beendet durch erneutes Verinnerlichen der Sankapla und ein langsames Zurückführen in die Gegenwart, dem sogenannten Externalisieren, bei dem man bewusst damit beginnt, die Außenwelt Stück für Stück wieder wahrzunehmen.
Wer noch etwas mehr zum Thema lesen möchte, hier ein paar Links und Literatur, die ich sehr gut fand:
Eine Antwort zu “Erfrischung mal anders – Yoga Nidra: Wie wir mit einer einfachen Praxis Ruhe, Klarheit und Tiefenentspannung in unseren Körper und Geist bringen können”
[…] bis hin zu kraftvollen, schweißtreibenden Praktiken. (Lies hierzu auch gerne die Blogbeiträge zu Yoga Nidra und Restorative Yoga.) Finde eine Praxis, die zu deinem Lebensstil und deinen Bedürfnissen passt. […]